333-Mein_Halbes_Leben

Ich sprech selten über gesehene filme – diesmal aber doch, weil die website meinhalbesleben.com von marko doringer ja noch aktiv sein dürfte. Marko ist freier filmregisseur, thom ist manager in bulgarien, und katha ist modedesignerin. Im lauf des films braucht marko ein teures zahnimplantat und muss dafür zu seinen eltern gehen: mit dreißig jahren. Dies noch nicht demütigung genug, nimmt ihn sein strenger vater ins kreuzverhör, wie es denn weitergehen möge. Er schleppt ihn sogar zu seinem stammtisch, wo ein paar – zwischenzeitlich teils pensionierte – machatscheks stehen und über marko genaugenommen ein schiedsgericht abhalten. Wie erniedrigend ist das denn alles jetzt, bitte! Dem nicht genug – mit beim stehtisch steht auch ne erfolgreiche tochter, einst schaufensterdekorateurin, dann aber in die schützenden arme eines ministeriums geflüchtet. Knapp 10 jahre ist der film alt. Oh wie beneiden wir nun alle stocksteif-beamten, die wissen, wie ihr leben in weiteren 10, 20, 30 jahren ausschauen wird. Wenn sie familie tun, gehen sie teilzeit – kein problem. Wenn sie karriere machen wollen, sitzen sie sich geruhsam nach oben: weitgehend kampflos. Wie es früher eben war.
Manager thomas hingegen, war nach seinen 2 studien nur 1x angestellt und wurde gefeuert. Verzweifelt klopfte er an markos tür. Marko hatte keine zeit für ihn: er musste grad film-schneiden. Thomas also in der ersten richtigen lebenskrise und freund marko weist ihn ab. Wenige jahre später leitet manager thomas mit traum-einkommen ein riesenbüro in sofija und fliegt jede woche zu seiner funktionierenden familie nach hause. Ich will bei allen vier (marko thom kathi martin) wissen: wie geht’s ihnen heute?
Dies lässt sich weitgehend absehen bei kathi (name geändert): ihres zeichens perfektionistische modedesignerin mit ersten anzeichen gesundheitlicher folgen. Sie hat aber einen solidarischen traumpartner – attraktiv auch noch. Unversehens bekommt sie ein baby. Man sieht beide mit dem baby im arm im abspann des films. Hier ist abzusehen, dass das kind nun die volksschule beendet. Vielleicht kam ein zweites dazu. Wie es mit dem label weiter verlief, müsste ich noch im internet recherchieren. Vermutlich die einzige, die sich weitgehend im internet recherchieren ließe.
Wir gehen über zu sportredakteur martin (war glaub ich, sein name). Megajob mit 15 gehältern. Angekommen. Erfolgreich, anerkannt, saturiert, gelangweilt. Mit seiner partnerin beschließt er, alles hinzuschmeißen und nach südafrika zu ziehen: er will schriftsteller werden. Bei ihm vermute ich, dass er zwischenzeitlich in der realität angekommen sein mag. Oh, das wär’ zu interessant zu wissen, WIE ging das weiter.
Schließen wir den erzählkreis nun wieder zum regisseur marko selbst. Seine mutter sinniert: diese freiheiten, die die jungen heute haben – oh die hätten wir auch gerne gehabt. Nur ist mein eindruck in dem film: mit der harten realität – abgesehen jetzt von ehe/familie – der harten, prekären hire/fire arbeitswelt draußen, war diese dame nie konfrontiert. Die elterngeneration glaubt, wir hätten so viele freiheiten. Die hatten aber nur die studenten ab den 68ern, bis knapp bevor das unselige bachelor-system einzug hielt. Also sagen wir daumen mal pi – wer zwischen 1970 und 1990 studierte, der hatte noch die freiheiten, teils sogar ohne akademischen abschluss seinen weg im leben zu finden. Die heutigen jungen, speziell die nullerkinder ( * 2000 ff. =millenials), die haben zu funktionieren, spitzenstudien abzulegen und sich dann auf ungewisse zeit ins prekariat zu geben. Kein job oder wohnung ist ihnen mehr sicher, weil ja das einkommen laufend in frage steht und vom nächsten projekt abhängt. Das ist ungefähr so wie eine nie endende jobagentur-abhängigkeit: jederzeit kann launisch der geldhahn abgedreht werden, woraufhin wie die faust aufs aug der wohnungsverlust droht: für eine gemeindewohnung ists kaum mehr möglich, auf die warteliste zu kommen. Jobs werden seit 2011 zum KV-ersten-berufsjahr angeboten, weils immer andre gibt, dies billig tun. Gesellen mit LAP arbeiten zum lohn ungelernter, oder eben gar nicht. Traurige wahrheit: aus erster hand erfahren. /607w