354-Betriebs_Rad

es ist ungefähr 10-12 jahre her, dass ich die angst vor befristeten verträgen verlor, arbeitstechnisch betrachtet. Ich habe also in dieser phase der vertretungen, befristungen und damit zwangsläufig einhergehenden firmenwechsel einerseits das leben in der prekarität kennengelernt, andrerseits versucht, jeweils zu einem günstigen moment mit den dortigen betriebs-brätern in kontakt zu treten. Mir sind dabei einige elemente aufgefallen, die ich nun komplett anonymisiert griffig, wie es ja auch sonst meine art ist, subsumieren will.
Das betriebs-rad ist grundsätzlich eine institution, vor der man angst hat: man hat angst, dort anzustreifen oder sie zu kontaktieren, wie man ja auch vor der cheferei nicht kundtun will, dass man als alter hase (alte wölfin in dem fall) so ganz nebenbei auch ein klitzekleines, bescheidenes gewerkschaftsmitglied zu sein vermag. Das alles wird als eine (be)drohung empfunden, dem arbeitgeber gegenüber. Also mund halten, nicht anstreifen – ein anstreifen keinesfalls kundtun. in diesen vielen, vielen jahren seither ist es mir selber fallweise passiert, dass ich etwa in phasen der radlosigkeit erst dann das betriebsrad aufsuchte, wenn es schon sehr spät war – zu spät war. Eine definitive kündigung im hause oder das ankündigen einer nicht-weiteren fristverlängerung. (thematisierung kettenverträge würde länge des vortrags sprengen). Man kontaktiert das betriebsrad also, wenn die arbeitsumstände dermaßen die gesundheit angreifen, dass man förmlich in gefahr geriete, fast suiz*dale anwandlungen zu erleiden. Also das kontaktieren eines betriebs-rades wird grundsätzlich zu spät getätigt. Wie aber geht das betriebsrad mit dem armen menschlein um, das nunmehr wimmernd um die letzte hülfe ansucht. Es gibt da gewisse stehsätze, die das opfer trösten sollen. Der eleganteste – und gleichzeitig unwahrste – stehsatz lautet: ‚ja ich weiß dass das hier alles scheiße ist und ich erwog selbst schon die dienstnehmerkündigung‘. Geniale masche. Der ist ja rauswerfgeschützt. Na dumm wird er sein. Betriebsrad sein, das ist eine eitelkeitsgeschichte. Nämlich wer freundelt am meisten und zieht mehr stimmen an land. Oft ist das gründen einer zweiten liste eine watsche für das betriebsrad. Das betriebsrad tritt auf wie ein könig mit seinem gefolge, triumphierend und geheimnisvoll – auf der jährlich einberufenen versammlung vor publikum. Das publikum indessen schart sich – förmlich wie eine horde paralysierter hasen vor der schlange – hinten im raum. Und obwohl generös weit mehr sitzgelegenheiten als für die anwesenden nötig zur verfügung stehen würden, so sind doch nur die hinteren reihen besetzt: wer später kommt, stellt sich in engst gesteckten, ängstlichen reihen noch weiter hinten hin, förmlich eingezwängt zwischen letzter sesselreihe und raum-mauer. Denn jeder der sich nach vorne in die nähe der vortragenden betriebsbräter setzt, sitzt im verdacht, mit denen zu tun zu haben, also kündigungsgefährdet, versetzungsgefährdet oder sonst was asoziales zu sein. Betriebsbräter haben im leben nur drei sorgen. Die wiederwahl. Das xmasfest. Der betriebsausflug. Augenauswischereien, freundliche scheinheiligkeiten. Suggerieren dass alles gut ist, wahre probs werden zumindest vor verrammelter häsisch eingeschüchterter gesamtbelegschaft nicht thematisiert. Wo samma denn. Geht uns doch allen gut hier. Schwamm drüber und decken drüber. Echt geredet wird nur im kämmerlein. Nun und alle betriebsbräter die mich hier – hoffentlich nicht – je wiedererkennen: seids nicht beleidigt, nicht traurig und vor allem nicht bös. Es ist wie in meiner howtoLokal story. Ein sammelsurium an erlebten worst cases. Jeder trägt nur teilschuld und ja ihr machts eh eine nette arbeit. Es traut sich nur kaner zuwariachn. 513w/Pic by three-shots,pixabay.com